Ev. Pfarrkirche St. Sebastian
Buoch war eine der großen und reichen Urpfarreien der Gegend. Der Pfarrsprengel reichte vom Waiblinger Wald im Westen bis zur Wieslauf im Osten und von Öschelbronn im Norden bis Schornbach im Süden. Diese Urkirche behielt im Bistum Konstanz, dessen nördlichste Spitze sie bildete, über Jahrhunderte die Funktion eines geistlichen Zentrums, begünstigt durch ihre Lage an der Hohen Straße über die Buocher Höhe hinweg, welche die Räume Waiblingen und Winnenden mit den Berglen und dem Gebiet weiter östlich verband.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass in Buoch im Zeitraum zwischen 620 und 700 nach Christus eine hölzerne Kirche stand. Diese Kirche dürfte Maria, ihrer Schutzheiligen, unterstellt gewesen sein, wie Prof. Hans-Martin-Decker-Hauff vermutete. Später kamen noch die Kirchenheiligen Veit (um ca. 1000 nach Christus), vermutlich durch Gisela von Schwaben, die den Stauferkaiser Konrad II. geheiratet hatte, und der heilige Sebastian (in der Pestzeit des 14. Jahrhunderts) hinzu, unter dessen Namen die Kirche heute firmiert. Untermauert wird die Vermutung einer alten Kirche aus dem 7. Jahrhundert durch eine Ausgrabung unmittelbar vor der West- und Eingangsseite der Kirche im Jahr 2014: die zwei dort gefundenen menschlichen Skelette wurden von der Universität Heidelberg auf das Jahr 934 bzw. 1116 nach Christus datiert.
Im Jahr 1270 überlässt das Kloster Lorch seine Rechte an der Kirche durch Schenkung dem Domkapitel Konstanz, nachdem zuvor die Herren von Neuffen auf ihre Rechte verzichtet und die Kirche mit Patronat und Zehnten an das Kloster Lorch abgetreten hatten. Infolge der Säkularisierung des Bistums Konstanz im Jahre 1803 gelangte die Kirche zunächst unter badische Herrschaft, bevor sie 1807 durch Kauf an das Herzogtum Württemberg kam. Der Schlussstein des Sternrippengewölbes in der Sakristei zeigt denn auch das Wappen des Konstanzer Domkapitels.
Die Buocher Kirche dürfte das älteste erhaltene Bauwerk im Ort sein. Der Turmchor ist romanischen Ursprungs und auf die Zeit um 1200 zu datieren, also in die staufische Epoche. Romanisch ist auch, neben den staufischen Quadern, das schmale Rundbogenfenster in der Ostwand des Chores. Viel zahlreicher sind dagegen die spätgotischen Stilelemente aus dem 15. Jahrhundert; dazu gehören, die gotischen Spitzbogenfenster im Erd- und Obergeschoss des Turms und das Kreuzrippengewölbe im Inneren des Chores. Die Fenster auf der Südseite des Langhauses weisen zwar gotisches Maßwerk auf, sind aber vermutlich im Zusammenhang mit einem Umbau am Übergang zur Renaissance entstanden.
Im Innern sind insbesondere ein Gekreuzigter mit einem dessen Blut auffangenden Engel im Chor hinter dem Altar, der Johann Leßle aus Schwäbisch Gmünd zugeschrieben und auf 1680/90 datiert wird, sowie die neuzeitlichen, von dem Buocher Glaskünstler Hans Gottfried von Stockhausen geschaffenen farbigen Glasfenster zu bewundern. Der Taufstein stammt aus spätgotischer Zeit. An der Nordwand des Langhauses ist ein barockes Epitaph aus dem 17. Jahrhundert zu sehen. Der aus Heidenheim gebürtige Künstler Helmuth Uhrig, der sich am Kubismus von Kandinsky und Picasso orientierte und Kunstbeauftragter der evangelischen Landeskirche Württemberg war, schuf nach dem zweiten Weltkrieg die Vorlagen für die prächtigen Kanzel- und Altartücher der Buocher Kirche, die noch heute in Gebrauch sind.
Die Kirche ist mit einem Dreier-Geläut (G-, B- und C-Glocke) der Glockengießerei Kurtz aus Stuttgart ausgestattet, das nach dem Zweiten Weltkrieg eingebaut worden ist. Gespendet wurden zwei Glocken des Geläuts von Familie Bretschneider-Breuninger aus Stuttgart zur Erinnerung an ihren im Zweiten Weltkrieg in Russland gefallenen Sohn Joachim.
Die Kirche verfügt über eine kleine aber feine Orgel, die im Jahr 1766 (während der Amtszeit von Pfarrer Reinfelder) beim Ulmer Orgelbaumeister Georg Friedrich Schmahl, einem der bedeutendsten Orgelbauer seiner Zeit, in Auftrag gegeben worden war. Diese spätbarocke Orgel wurde von Meistern ihres Fachs in den folgenden Jahrhunderten gepflegt, erneuert und ausgebaut und ist auch nach 250 Jahren noch ein musikalisches Kleinod.
Die Sonnenuhr an der Südwand der Kirche stammt aus dem Jahr 1826. Vorher hat sich an gleicher Stelle eine Sonnenuhr befunden, die in den Jahren 1768 und 1788 von Georg Groß aus Winnenden auf eine Putzfläche aufgemalt worden war.
Quelle: Die Kunstdenkmäler in Baden-Württemberg – Rems-Murr-Kreis, 1983
Ernst Rose in Buocher Hefte Nr. 22 (S. 3ff.), Harald Deiß in Buocher Hefte Nr. 40 (S. 7), Winfried Kübler in Buocher Hefte Nr. 36 (S. 55), Harald Deiß in Buocher Hefte Nr. 33 (S. 56), Harald Deiß in Buocher Hefte Nr. 35 (S. 65 f.), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 21 (S. 5), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 23 (S. 49), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 27 (S. 22 f.), Mathias Seiler in Buocher Hefte Nr. 8 (S. 18 ff.), Mathias Seiler in Buocher Hefte Nr. 8 (S. 13 ff.), Ernst Rose in Buocher Hefte Nr. 33 (S. 11 ff.).
Das Pfarrhaus, ehemals Pfarrhof
Der Buocher Pfarrhof war einer der am schönsten gelegenen und am längsten erhalten gebliebenen Pfarrhöfe Württembergs. Der Pfarrhof war in früheren Jahrhunderten das größte landwirtschaftliche Anwesen in der Gemeinde. Er muss bereits zur Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung von Buoch im Jahr 1270 bestanden haben.
Das Pfarrhaus stammt aus dem 16. Jahrhundert. Von den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden ist nur noch das ehemalige Waschhaus (heute Garage) erhalten geblieben. Die übrigen Wirtschaftsgebäude des Pfarrhofs wurden 1974 wegen Baufälligkeit abgebrochen. Ein Modell des ehemaligen Zustandes wird im „Museum Remshalden“ in Grunbach ausgestellt.
Das Pfarrhaus selbst wurde in den Jahren 1732/34 grundlegend renoviert. Das äußere Bild blieb seitdem im Wesentlichen unverändert. Die Steintafel neben der Haustür trägt neben dem Wappen des Konstanzer Domkapitels die Inschrift C.P.I.F.W. (das heißt: Constanzische Pflege im Fürstentum Württemberg) und die Jahreszahl der Renovierung 1732.
Die nachweisbare Liste der Buocher Pfarrherren ist lang. Erster nachweisbarer Pfarrherr war Eberhard von Staufeneck, der von 1275 bis 1308 wirkte, Domherr im Bistum Konstanz war und dessen Familie zu den führenden staufischen Reichsministerialen gehörte und eng mit den Rechbergern verwandt war. Die Buocher Pfarrherren trugen bis zum 18. Jahrhundert in der Regel den Titel Magister, was dem höchsten akademischen Grad einer Fakultät und der Berechtigung zur Hochschullehre entsprach.
Im frühen 19. Jahrhundert war der Buocher Pfarrhof unter Pfarrer Reinfelder (1795 – 1856) ein gastlicher Ort, der große Anziehungskraft auf Dichter, Künstler, hohe Staatsbeamte und Generäle ausübte. Hier fand der Buocher Dichter-Freundeskreis seinen Anfang mit dem Göppinger Theologen und Dichter Rudolf Kausler (einem Neffen von Pfarrer Reinfelder), dem Reutlinger Schriftsteller Hermann Kurz und dem Horber Schriftsteller Berthold Auerbach. Die drei waren Studienkollegen aus dem Tübinger Stift. Die Pfarrerfamilie Reinfelder förderte auch den bekannten Lithographen Johannes Wölfle aus Ebersbach an der Fils. Der Stuttgarter Maler und General Eduard von Kallé gehörte ebenso zu den gern gesehenen Gästen im Buocher Pfarrhaus wie die Schriftsteller Nikolaus Lenau, Ottilie Wildermuth und der Waiblinger Oberamtsrichter und Dichter Karl Mayer, der Mitglied des Schwäbischen Dichterkreises um Herzog Alexander von Württemberg war.
Quellen: Ernst Rose in Buocher Hefte Nr.22 (S. 7), Karl Apel in Buocher Chronik (S. 193 ff.), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 13 (S. 69 ff.), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 22 (S. 60ff), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 21 (S. 54 ff.), Renate Winkelbach in Buocher Hefte Nr. 23 (S. 9 ff.), Thomas Scheufelen in Buocher Heft Nr. 27 (S. 49 ff.), Karl Apel in Buocher Hefte Nr. 27 (S. 59 ff.).